UNBESCHRÄNKTE STEUERPFLICHT WEGEN GEWÖHNLICHEN AUFENTHALTES TROTZ AUFGABE DES WOHNSITZES Das Steuerrecht folgt dem Leben, nicht umgekehrt! | Folge 5 / 2024
- Strunk
- 23. Aug. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 6 Tagen

Leider müssen wir uns immer häufiger in der Praxis mit Fragen des Wegzugs aus Deutschland beschäftigen. Die Gründe hierfür sind vielfältiger Art und wie das nachfolgende Beispiel zeigt, nicht ohne Risiko und auch leider nicht ohne Überraschungen.
Ein Mann zieht mit seiner Lebensgefährtin von Deutschland ins Ausland. Bittet seine Eltern das Eigenheim von den eigenen Möbeln zu räumen, diese zu lagern und das Objekt zu vermieten. Der Mann beginnt ein Beschäftigungsverhältnis in Asien für einen Mindestzeitraum von 2 Jahren, besteigt ein Flugzeug von Norddeutschland nach Frankfurt und fliegt am selben Tag weiter nach Asien. Am selben Tag erhält er eine Zahlung aus einem früheren Anstellungsverhältnis, die nur dann in Deutschland zum damaligen Zeitpunkt (heute sähe die Rechtsfolge anders aus) steuerpflichtig war, wenn er noch unbeschränkt steuerpflichtig zum Zeitpunkt der Vereinnahmung der Zahlung gewesen wäre. Die Zahlung erfolgt unstreitig am Tag der Abreise. Einvernehmen besteht vor dem Finanzgericht, dass der Wohnsitz zum Zeitpunkt des Zuflusses wegen der Vorbereitungsarbeiten zur Aufgabe desselben nicht mehr gegeben ist. Finanzverwaltung und Finanzgericht (FG Hamburg Urteil 5 K 141/18) vertreten jedoch die Auffassung, dass eine unbeschränkte Steuerpflicht immer noch gegeben ist, weil man zwar keinen Wohnsitz mehr habe, aber der gewöhnliche Aufenthalt bis zum Zeitpunkt des physischen Verlassens in Deutschland gewesen sei und eine Rückkehr innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nicht zu erwarten ist. Vorliegend ist der Mann mit Lebensgefährtin und Haustieren umgezogen, so dass allein durch den Umstand, dass man den Tieren eine vielstündige Zeit im Flugzeug nicht regelmäßig zumuten will, eine Rückkehrabsicht auszuschließen ist.
Viel spannender ist aber die Frage, wie kommt ein erkennender Senat eines Gerichtes zu einer solchen Wertung. Als unerfahrener Rechtsanwender, der ich offensichtlich bin, hofft man, dass die Auffassung durch Kommentierung und oder Rechtsprechung untermauert wird. Im vorliegenden Fall wird ein Kommentar zitiert, der jedoch ohne eigene Bewertung und Kommentierung ein Urteil des Reichsfinanzhofes aus 1936 zur Reichsfluchtsteuer zitiert (das Urteil ist lesenswert und bedrückend).
Es steht mir nicht zu, das Vorgehen der Kommentatoren oder des erkennenden Senates zu bewerten, aber ich darf sagen, dass ich es mir nicht vorstellen konnte, ein Urteil aus der dunkelsten auch juristischen Zeit dieses Landes lesen zu müssen, um eine Rechtsposition, die anders als außer der eigenen Meinung der Richter in keiner Rechtsprechung und keinem Kommentar Widerhall gefunden hat, zu rechtfertigen. Leider ist der Vorgang trotz Möglichkeit der Revision nicht weiterverfolgt worden, so dass auch offenbleibt, wie das höchste deutsche Steuergericht entschieden hätte.
Viel entscheidender als meine „Empfindsamkeit“ mag für die Praxis sein, dass der Zeitpunkt der Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht anders als bisher in allen anderen Urteilen und der Kommentierung bei einer unbestrittenen Absicht, Deutschland zu verlassen mit dem Zeitpunkt der Aufgabe des Wohnsitzes endet, weil auch die Tatbestandsvoraussetzungen des gewöhnlichen Aufenthaltes ab dem Entschluss Deutschland zu verlassen und der nach außen sichtbaren Maßnahmen nicht gegeben sind. Völlig offen bleibt auch im konkreten Fall: Wie wäre der Fall zu behandeln gewesen, wenn der Mann einen Tag vor der Überweisung das Flugzeug mit seiner Frau und Haustieren genommen hätte und eine Woche später zur Abwicklung bestimmter Vorgänge wieder nach Deutschland für wenige Tage zurückgekehrt wäre. Hätte er dann wieder einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet? Unbestritten sind faktische Umstände als Voraussetzung für Rechtsfolgen stets schwierig zu würdigen, aber Urteile und Auffassungen wie aus dem genannten Urteil machen allen Beteiligten das Leben unnötig schwer.